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Digitale Kassensoftware (Ipad und PC) für lokale Dienstleister

Rasante Technologie-Entwicklung – Unübersichtliche Anbieter-Situation

Ob Einzelhandel oder Gastronomie, Änderungsschneiderei oder Heilpraktiker, jeder dieser oder vergleichbare Betriebe verfügen über einen physischen Ort für Zahlungen, der heute einheitlich mit dem englischen Begriff „Point of Sales (POS)“ belegt ist.

Inhaltlich bleiben die Vorgänge immer dieselben: Der Kunde bezahlt für eine Ware oder Leistung, vielleicht abzüglich eines Nachlasses, weil er ein treuer Stammkunde ist, oder er kann als Neukunde einen Gutschein einlösen. Die Original-Quittung erhält der Kunde, der Durchschlag wandert zur Buchhaltung. Früher reichten dafür Geldkassette, Quittungsblock und Schuhkarton zur Sammlung der Belege für die Steuerberatung völlig aus.

Die technologischen Umwälzungen der Informationstechnologie, insbesondere der letzten 25 Jahre, ließen diese Vorgänge gleichzeitig komfortabler und komplexer werden. Zusätzlich erzwangen die parallel dazu immer umfangreicher gewordenen Anforderungen und formalen Auflagen des Finanzamts an Detailtreue und zeitliche Präzision der Protokollierung jeglicher Zahlungsvorgänge bei deutlich schärferen Kontrollen regelrecht einen Umstieg von der analogen auf die digitale Verarbeitung.

Über 40 spezialisierte Anbieter boten und bieten immer umfassendere Anwendungen an, die außerdem auf einzelne Branchen und Größenordnungen von Betrieben präzise zugeschnitten sind. Nicht mehr nur der eigentliche Bezahlvorgang, Aktionsrabatte und Kundenmanagement, ein differenzierter Bondruck und Protokollierung gemäß den „Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchhaltung (GOB)“ werden abgedeckt, sondern auch die Informationen für die Wiederbeschaffung, eventuell sogar mit Bestellauslösung beim preiswertesten Anbieter, um nur ein Beispiel zu nennen.

Technologie reduziert Personalprobleme

Ein digitales Kassensystem bildet alle Vorgänge rund ums Abrechnen in Hard- und Software ab. Dazu gehört im Wesentlichen ein Kassenarbeitsplatz, bestehend aus einem spezialisierten Kassen-Rechner mit Bildschirm und programmierter Tastatur, ersatzweise und zunehmend anzutreffen, ein so genannter „berührbarer“ Bildschirm, Touchsreen. Betrieben wird diese Hardware meist mit den Betriebssystemen Windows oder Linux und einem spezialisierten Paket von Anwendungs-Software für die einzelnen Funktionen. Zur Grundausstattung gehören heute neben dem Thermodrucker für Bons und Rechnungen und der Kassenschublade auch ein Gerät für den bargeldlosen Zahlungsverkehr, (POS-)EFT-Terminal genannt. Electronic Funds Transfer bezeichnet dabei die elektronischen Geldübertragungen per Karten einschließlich der Authentifizierungsvorrichtung durch PIN-Eingabe.

In der Gastronomie ist gutes Personal immer knapp. Lange Wege vom Gast zum Ausschank oder der Küchenausgabe in lang gestreckten Räumen oder gar über Treppen schrecken zusätzlich ab. Noch anstrengender und unübersichtlicher sind die Routen in der Außengastronomie großer Biergärten oder über einen stark genutzten Fußgängerweg. Um diese Wege zu optimieren und dabei gleichzeitig viele Gäste innerhalb einer angemessenen Zeit bedienen zu können, bieten sich die mobilen Bestellsysteme an, Geräte, die über Funk mit dem Kassenrechner, der Küche und dem Ausschank verbunden sind. Mit ihnen werden Bestellungen beim Gast aufgenommen, der Bonausdruck aktiviert sowie Ausschank und Küche informiert. Gleichzeitig können die Küche und die Getränkeausgabe die Bestellsituation überwachen und die Kellner über die Bereitstellung informieren. Auch individuelle Nachrichten an einzelne Kellner, beispielsweise zum Eindecken einer neu zu arrangierenden Tischformation, sind möglich. Alle Zahlungsvorgänge und die Rechnungsausstellung erfolgen über den zentralen Kassenarbeitsplatz oder mehrere miteinander vernetzte Kassenrechner an unterschiedlichen Standorten, auch in Filialbetrieben.

Die neueste Technologie – Leistungsabruf nach Bedarf

Pioniere einer neuen Technologie sind die deutschen Neugründungen Orderbird (Berlin, seit März 2011) und Pepperbill (Erfurt, seit Juli 2012). Beide benutzen für ihre Kassensysteme ausschließlich mobile Hardware von Apple mit dem Betriebssystem iOS, das speziell auf Eingaben über einen Touchsreen zugeschnitten ist. Anstelle des ursprünglich stationären Kassenarbeitsplatzes kommt ein handelsüblicher iPad, ein Tablet-Rechner, zum Einsatz. Als mobile Satellitengeräte für Kellner oder Verkäufer dienen iPods (Orderbird) oder iPhones (Pepperbill). Auslastungsgerecht kann die Zahl der Mitarbeitergeräte monatlich geändert werden, was einen besonderen Vorteil für das Saisongeschäft der Gastronomie darstellt.

Der entscheidende Unterschied zu den bisher existierenden Lösungen liegt darin, dass weder das Anwendungspaket noch die damit erzeugten Daten lokal gespeichert werden. Die jeweiligen Anwendungsmodule werden aufgerufen über die grafischen Oberflächen der Touchsreens, wo die einzelnen Funktionen als Icons dargestellt sind. Gewechselt wird von einem Aufgabenbereich in den anderen per Fingerwisch. Die zunehmend landesweit installierten schnellen Breitbandnetze stellen das Gewünschte mittels vorkonfigurierter Schnittstellen so zeitnah bereit, dass es praktisch nicht erkennbar ist, ob vom lokalen Server geladen wird oder über Internet von einem weit entfernt stehenden. Über einen mit speziellen Rechten ausgestatteten „Chefzugang“ können darüber hinaus vom iPad aus variable Einstellungen, wie Preise, Rabatte, Aktionen mit Freitext vorgenommen, betriebswirtschaftliche und steuerrechtlich relevante Daten abgerufen und grafisch aufbereitet dargestellt werden. 

Es handelt sich hierbei um einen typischen Service innerhalb des „Cloud Computing“. Dabei fungiert der Begriff „Cloud“ (Wolke) als bildliche Umschreibung dafür, dass der Anwender diese Leistung für seine Zwecke nutzen kann, ohne dass er sich um den Verbleib von Anwendungen und Daten kümmern und sie verwalten muss. Er hat im Rahmen seines Vertrags jederzeit einen vordefinierten Zugriff darauf, ohne zu wissen, wo diese tatsächlich arbeiten und gespeichert sind. Die mittlerweile weitgehend international anerkannte Architektur- und Leistungsbeschreibung des Cloud Computing wurde 2009 erstellt von der NIST (National Institute of Standards and Technologies), einer US-Behörde, die ungefähr vergleichbar ist mit der deutschen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB).

Orderbird und Pepperbill bieten ihre Leistungen entsprechend dieser Definition als „Software as a Service“ (SaaS) an, der umfassendsten Form des Cloud Computing. Darin enthalten sind vor allem Rechenleistung für die Nutzung der Anwendung, Speicherplatz für Daten und das vorkonfigurierte Kommunikationssystem, je nach Vertragstyp auch die Endbenutzer-Hardware. Weitere, ansonsten auf einem lokalen Server angesiedelte Funktionen oder durchzuführende Aufgaben, wie Datenbankmanagement, Schutzeinrichtungen gegen Computerkriminalität (Viren, Trojaner, etc.) und auch das Aktualisieren der einzelnen Software-Elemente werden vom SaaS-Vertragspartner übernommen. Der Endbenutzer hat als sichtbare Leistung „nur“ die Bildschirminhalte seines vielleicht gemieteten mobilen Endgeräts, das vom Lieferanten angebotene, für ihn personalisierte Spektrum an Funktionen, den lokalen Bon-Ausdruck und die Möglichkeit, seine Daten als Sicherungs-Backups herunterzuladen und zusätzlich in seiner Umgebung zu archivieren (steuerliche Aufbewahrungspflicht).

Juristisch gesehen ist eine SaaS-Nutzung mit dem Vertragsmodell ASP (Application Service Providing / Nutzung von Anwendungssoftware und assoziierte Dienste) gleichgesetzt. Darauf angewandt werden die Bestimmungen eines Mietvertrags (§§ 535 ff BGB), wie der Bundesgerichtshof am 15.11.2006 (Az. XII ZR 120/04) entschieden hat, da es sich um eine temporäre Nutzung von Leistungen (Gebrauchsüberlassung) handelt. Sicherlich bleiben noch offene Punkte, die es gesetzlich / juristisch aufzuarbeiten gilt.

Bedeutung dieser Kassentechnologie für den Anwender

Für den Endbenutzer sind diese Angebote tatsächlich eine Arbeitserleichterung. Er muss sich nicht mehr mit Software-Updates und Sicherungssystemen auseinandersetzen und spart dadurch Zeit und Energie. Gleichzeitig sind reine Nutzungsgebühren, die sich auch noch flexibel am tatsächlichen Bedarf orientieren, deutlich günstiger, auch in einer Mehrjahresbetrachtung, als die Lizenzen und Zusatzkosten für die bisherigen Kassenlösungen.

Mit den „intuitiv zu erlernenden“ Funktionen der Apple-Geräte muss jeder Nutzer sich allerdings genauso vertraut machen und dafür Zeit aufwenden wie mit der Bedienung anderer Kassen. Da Anbieter von Cloud Computing alle aktuellen Sicherheitsvorkehrungen im Internet nutzen, ist dieser Standard recht hoch und nicht schlechter als bei lokalen Kassen. Die Verfügbarkeit und Qualität der Unterstützung und Fehlerbehebung im Störfall sind sicher vergleichbar mit servicebewussten Anbietern anderer Systeme. Unter der Voraussetzung, dass schnelle Breitbandsysteme verfügbar sind, gibt es keinen Unterschied in der Verarbeitungsgeschwindigkeit zu lokalen Systeme, zumal Leistungsspitzen auf dem fernen Server ausgeglichen werden und nicht von der lokalen Anlage gesteuert werden müssen.

Wesentlich schwieriger einzuordnen sind Datenschutzaspekte. Spätestens seit Bekanntwerden der großflächigen NSA-Spionage gibt es die verständliche Sorge, was mit den eigenen Daten auf einem fremden Rechner und auf deren Weg dahin tatsächlich geschehen könnte. Eine hundertprozentige Sicherheit gegen unbefugte Nutzung gibt es nicht. Was technisch möglich ist, wird auch umgesetzt. Die einzige Gegenmaßnahme besteht darin, hohe Sicherheitshürden zu setzen, deren Überwindung extrem kostspielig ist. Dieses hohe Sicherheitsniveau sagen die Leistungsanbieter zu; außerdem stehen deren zentrale Server auf deutschem Boden.

Als problematisch erweisen könnte sich die hundertprozentige Abhängigkeit von einem einzigen Leistungserbringer. Wenn der, aus welchen Gründen auch immer, dauerhaft ausfällt, ergibt sich eine deutlich schwierigere Situation, als wenn der Lieferant lokaler Kassensysteme plötzlich nicht mehr vorhanden ist. Durch die vor Ort gespeicherten Anwendungen und Daten ist eine längere Überbrückungszeit bis zu einer Alternativlösung gegeben. Bei vorübergehendem Netzausfall ist wohl ein gepuffertes Offline-Arbeiten möglich, doch in diesem Fall handelt es sich um eine ähnlich prekäre Abhängigkeit wie die vom Strom- oder Gasnetz.

Fazit: Einfach für Neueinsteiger – schwierige Entscheidung für Umsteiger

Wer weder Lust noch Zeit hat, sich eingehend mit der für sein Business notwendigen Informationstechnologie zu beschäftigen und außerdem so wenig wie möglich dafür ausgeben will, ist mit den Angeboten von Orderbird und Pepperbill wahrscheinlich gut bedient.

Außerdem ist davon auszugehen, dass beide Anbieter ihre Funktionspalette noch ausbauen werden. Ob sich dann auch ihre jugendlich-saloppe Kundenansprache (Du) ändern wird, bleibt dahingestellt. Es steht allerdings auch zu erwarten, dass sich etablierte Kassenspezialisten mit dieser Technologie anfreunden (z. B. Gastrofix), wie sie schon teilweise mobile Bestellterminals und ganze Kassensysteme (z. B. Vectron) im Angebot haben.

In jedem Fall sollte sich ein Interessent im Vorfeld intensiv mit den AGB dieser Anbieter auseinandersetzen, vor allem, um auch zu erkennen, welche Pflichten bei ihm als Nutzer bleiben und wie das Leistungsspektrum des Vertragspartners und der Datenschutz genau definiert sind.

Für Betriebe, die mehr Wert auf Funktionsvielfalt, Kundenbetreuung und Unabhängigkeit legen und die mit ihrem bisherigen Kassenpartner zufrieden sind, ist dieses Service-Angebot in Technologie und Umfang wahrscheinlich noch nicht ausgereift genug. Der explosionsartige Anstieg der Kundenzahlen bei Orderbird und Pepperbill wird auch im Zeitablauf zu belastbaren Anwender-Erfahrungsberichten und veröffentlichten Untersuchungsergebnissen interessierter Stellen führen.

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Über Alexander Henn

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