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Über die Macht von Bewertungsplattformen

“Suche einen guten Orthopäden. Kann mir jemand einen Tipp geben?” Oder: “Heirate demnächst und brauche dringend einen super Friseur mit Rund-um-Service. Die Frisur muss wirklich absolut top werden! Hat jemand Erfahrung?” – Diese und ähnliche Fragen beschäftigen Internet-User nicht nur im Kopf, sondern werden auch täglich fleißig eingetippt und ins World Wide Web eingespeist.

Längst sind es nicht nur die Gelben Seiten oder die gute Freundin, welche bei diesen und unzähligen anderen Suchanfragen weiterhelfen sollen. Zunehmend wendet man sich ans anonyme Netz und verlangt allerlei hilfreiche Auskünfte.

Das haben sich mittlerweile zahlreiche Bewertungsplattformen wie z. B. YelpJamedaAmazonBooking.com und Ciao! zunutze gemacht. Sie wollen eine Art Schnittstelle zwischen Kunden und Unternehmen darstellen, und zwar grundlegend anhand eines schlichten Bewertungsprinzips: Ob es nun Sternchen sind, die man vergeben kann, oder Daumen hoch bzw. runter – Gut oder Schlecht bilden die Basis für jede Einschätzung von Dienstleistungsanbietern oder Produkten, die auf diversen Plattformen vorgestellt und bewertet werden. Natürlich gibt es hierbei auch Abstufungen, zudem können meistens kurze Kommentare hinterlassen werden. Ausführliche Erfahrungsberichte lassen sich hie und da ebenfalls nachlesen. Federführend scheint aber immer noch die 5-Sterne-Regel zu sein. Manchmal gibt es sogar Notenvergabe in Zahlenform, teils inkl. Dezimalstellen – als Unternehmer kann man sich da schon mal in die Schulzeit zurückversetzt fühlen. Eigentlich hätten die meisten gar kein Problem damit, solange die Bewertungen gerecht ausfallen würden. Doch eben da sitzt der Haken.

Meinungsmache und Manipulationsverdacht
Es ist keinesfalls zur Nachahmung empfohlen, aber – zum Nachteil aller Beteiligten – schon oft vorgekommen, dass die Werbeeffekte, welche Bewertungsplattformen implizit und explizit bieten, missbraucht worden sind. Dies brachte nicht selten Negativschlagzeilen über Bewertungsplattformen im Allgemeinen mit sich und wirkte leider vor allem ruf- und geschäftsschädigend auf so manchen Unternehmer.

Selbstgebastelte Sternchen
Letztlich erntet niemand Ruhm, wenn er sich selber lobt. Trotzdem haben dies schon Einige versucht, auch im Rahmen von Bewertungsplattformen. So haben z. B. Verlage bei Amazon ihre Bücher gleich selbst rezensiert, Restaurantbetreiber verliehen sich eigene Sterne und dergleichen mehr. Manche sind dabei nicht unentdeckt geblieben, wie z. B. Helmut Hoffer von Ankershoffen, dessen Name dadurch traurige Berühmtheit erlangte. Er musste wegen verdächtiger Bewertungen im Internet seine Karriere als Leiter eines IT-Unternehmens an den Nagel hängen. Sein “Vergehen” bestand darin, dass er unter einem Pseudonym sein eigenes Produkt, den Tablet-Computer WeTab, auf Bewertungsportalen angepriesen hatte.

Vernichtende Bewertungskometen
Doch nicht immer sind die Unternehmer selbst schuld, wenn ihr guter Name in Verruf gerät. Denn im harten Konkurrenzkampf kam zumindest in der Vergangenheit schon so mancher Gegner auf die Idee, andere Firmen via Bewertungsportal schlecht zu machen. Angeblich massenweise sind so schon gefälschte Kritiken mit vernichtenden Inhalten verbreitet worden. Den Betroffenen sind dabei meist die Hände gebunden, und das paradoxerweise durch die strengen Regelungen der Bewertungsplattformen, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass eben keine Spam- und Fake-Einträge ins Portal gelangen können.
Was die Verunglimpfung durch die Konkurrenz betrifft, seien besonders Partnervermittlungen gefährdet, weiß Gründerszene.de zu berichten. Des Weiteren bringt Joel Kaczmarek ein anderes Fallbeispiel, bei dem es sogar zu rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Bewertungsportalen Ciao! und Dooyoo auf der einen, und dem Finanzdienstleister AFA auf der anderen Seite gekommen ist. Dabei ging der Finanzdienstleister “von einer professionell gelenkten Kampagne unbekannter Dritter aus” und meinte “Unterstellungen, Schmähungen und nachweisliche Falschbehauptungen zu Mitarbeitern und Partnern ausgemacht zu haben.” (Zitat aus Gründerszene.de: Bewertungsplattformen auf dem Prüfstand, 21.02.2011)

Ferner soll es Fälle geben, bei denen Rezensenten nur deswegen übertrieben schlechte Kritiken verfassen, weil sie aufgrund persönlicher Differenzen einem Unternehmer aus dem Bekanntenkreis schaden wollen. Zudem haben schon unzufriedene Kunden mit negativen Bewertungen gedroht, nur um eher ihr Geld zurückzubekommen. Und schließlich gibt es Gerüchten zufolge auch noch die gelangweilten Surfer, die hin und wieder zum bloßen Zeitvertreib negative Bewertungen schreiben, ohne das betreffende Produkt je getestet zu haben.

Mag sein, dass es sich bzgl. der Bewertungsmotivation manchmal um unbegründete Vermutungen handelt, doch wenn ein Unternehmer einmal direkt von vermehrten Negativ-Wertungen betroffen ist, kann ihn das ziemlich in Misskredit bringen, zumindest im Web 2.0.
Dazu muss man wissen, dass Bewertungsportale auch mit den meisten Suchmaschinen zusammengeschlossen sind. Grundlegend gilt, dass jeder, der bei einem der gängigen Portale eingetragen ist, von Google und anderen Search Engines ganz oben als Treffer angezeigt wird. Hat ein Unternehmen viele positive Bewertungen vorzuweisen, stellt das die ideale Internet-Werbung dar, denn natürlich werden die meisten User dazu tendieren, eben diese Anbieter bzw. seine Produkte anzusehen und vielleicht auch zu kaufen. Wenn sich aber an oberster Stelle vorwiegend negative Kommentare und Erfahrungsberichte wiederfinden, kann dies langfristig zu Umsatzeinbußen führen, denn potenzielle Kunden werden meist unbewusst schon durch den ersten Eindruck von einem Vorurteil geprägt.

Wie kann man sich als Betroffener schützen und verteidigen?
Ist einer der oben genannten Fälle für ein Unternehmen eingetroffen, ist es relativ schwer, sich Recht zu verschaffen. Grundsätzlich lässt keines der Portale die Option zu, dass Unternehmen auf Bewertungen zugreifen können. Nur der jeweilige Verfasser eines Eintrags ist berechtigt, ihn zu löschen oder zu verändern. Was laut den Betreibern eigentlich als Schutz vor Manipulationen gedacht war, erweist sich in dieser Hinsicht als verheerender Nachteil: Rufschädigende Einträge können so lange unverändert im Netz bleiben, solange ein Unternehmer sich mit einer Beschwerde an die betreffende Bewertungsplattform wendet oder – sofern die Betreiber nicht hinrichtend reagieren – rechtliche Schritte einleitet. Neben der unterschiedlichen Servicebereitschaft der einzelnen Betreiber können auch andere, teils schwer zu überbrückende Hürden auftreten. So sollte z. B. bedacht werden, dass viele Portale ihren Sitz im Ausland haben und daher rechtlich schwerer zu belangen sind.

Auffällig viele der Artikel, welche über das Phänomen “Bewertungsplattform” berichten, befassen sich ganz ausführlich mit den rechtlichen Fragen, die bei betroffenen Unternehmern auftauchen können. Es finden sich darin einige wertvolle Hintergrundinformationen und Tipps. Es ist sehr empfehlenswert, diese einschlägigen Artikel in voller Länge zu lesen, daher soll deren Inhalt an dieser Stelle nicht reproduziert werden. Sollten Sie sich in dieses Thema vertiefen wollen (oder müssen), folgen Sie dem Hinweis auf weiterführende Texte über “Bewertungsportale & Recht” am Ende des vorliegenden Artikels.

Etwas vorweg: Betreiber von Bewertungsplattformen rechtlich zu belangen, stellt keinen Präzedenzfall dar. Die Erfolgschancen einer Klageerhebung stehen in bestimmten Fällen sogar sehr gut, z. B. wenn eindeutig nachgewiesen werden kann, dass es sich bei den strittigen Bewertungen um unwahre Tatsachen handelt oder eine klare Beleidigung aufgrund unangemessener, ausfälliger Wortwahl vorliegt. Auch in Sonderfällen wie dem Portal Yelp, das im Zuge des Kaufs von Qype unzählige positive Bewertungen einfach in der Versenkung gelassen hat, sind die Aussichten gut, dass der Kläger Recht bekommt.

Damit es aber gar nicht erst zu einem unangenehmen Verfahren komm, ist es sehr empfehlenswert, sich gründlich über Bewertungsplattformen im Allgemeinen und über die Eigenheiten der einzelnen Portale zu informieren, noch ehe man sich dafür entscheidet, ob man bei dem einen oder anderen Portal Premium-Kunde werden oder eine Produktanzeige schalten will. Folgende Darstellung soll Ihnen einen ersten Überblick über die bekanntesten Bewertungsportale geben:

Kleine Auswahl von Bewertungsplattformen: Namen, Branchen, Kosten 
Da es eine kaum überschaubare Zahl von Bewertungsplattformen gibt, kann hier in aller Kürze nur eine kleine Auswahl aus unterschieden Branchen vorgestellt werden. In der Regel stehen alle Portale den Besuchern und Rezensenten kostenlos zur Verfügung. Nur als Unternehmer bzw. Premium-Kunde muss man zahlen, wenn man sich dort präsentieren und Anzeigen schalten lassen will (Näheres dazu im Abschnitt über Amazon).

  • Yelp (ehemals Qype) – Für Restaurants, Shopping und Nachtleben

Allen voran steht in dieser Liste das Bewertungsportal Yelp, da es sich anderen Bewertungsplattformen gegenüber durch besonders auffällige Negativschlagzeilen hervortut, und zwar aufgrund starker Kritik wegen der mangelhaft durchgeführten Übernahme von Qype. So betitelte z. B. Eva Ihnenfeldt von Steady News, dem Magazin der Business Academy Ruhr, ihren kritischen Erfahrungsbericht über Yelp mit “Bewertungsplattformen: Aus Qype wurde Yelp – und eine Katastrophe für Geschäftsleute”. Sie zeigt sich darin äußerst enttäuscht darüber, dass wegen der Übernahme vonQype im Oktober 2012 ihre über Jahre hinweg gesammelten Bewertungen bei Yelp nicht mehr zu finden waren. Vielen ehemaligen Qype-Premiumkunden war es ähnlich ergangen und einige zogen deswegen auch vor Gericht. Yelp hingegen verwies als Antwort auf die zahlreichen Beschwerden auf die intern eingesetzten Filtermechanismen, die wegen Spam- oder Fake-Verdacht ca. 25 % der Bewertungen ausgesiebt hatten. Ihnenfeldt vermutet zwar trotzdem andere Motive für die Löschung der Einträge, die Business Academy Ruhr GmbH entschied sich aber dennoch gegen den Rechtsweg und verblieb mit einem Aufruf an ihre ehemaligen Absolventen, sie mögen doch bitte ihre Einträge bei Yelpwiederholen.
Einen kleinen Tipp gibt die in Sachen Bewertungsplattformen Erfahrene aber noch zum Schluss: Das Social NetworkFacebook wird auch für Unternehmer zunehmend interessant, da es seine Bewertungsfunktionen intensiv ausbaut.

  • Ciao! und Dooyoo – Spezialisiert auf Produktbewertungen

Auch die Bewertungscommunity Ciao! war in Verruf geraten, da sich dort mit der Zeit immer mehr sog. Crowdworker umtrieben, welche angeblich von diversen Herstellern dazu angeheuert worden waren, positive Bewerbungen am laufenden Band zu schreiben. Zwar bekennt sich oben zitierte Frau Ihnenfeldt zu einer Bewertungsumfrage, die Ciao!betreffend Yelp gestartet hatte, doch ansonsten sieht dieses Portal für Unternehmer nicht sonderlich günstig aus:
In den FAQs werden ausführliche Informationen für Mitglieder im Allgemeinen geboten; potenzielle Rezensenten erfahren dort sogar, wie sich bei Ciao! Geld verdienen lässt. Doch wenn sich ein Unternehmer informieren will, wie er bei Ciao! mitmachen kann, wird er halbherzig auf die englischsprachige Unternehmenswebsite LeGuide. The European Shopping Group verwiesen. (Sofern man gut Englisch kann, dürfte das aber kein Problem darstellen).
Dooyoo. Kaufberatung online ist übrigens Ciao! vom Konzept her sehr ähnlich (Fokus auf Community) und referenziert ebenso auf die Website von LeGuide.

  • Amazon – Nicht mehr nur für Bücher und CDs gut

Was die Unternehmerfreundlichkeit betrifft, kann das wohl bekannte Amazon zu Ciao! ruhig “Tschüss” sagen, denn hier findet man sofort alles, was ein Unternehmer wissen muss, wenn er auf dieser Plattform für seine Produkte werben will. Auf der entsprechenden Seite über Produktanzeigen erfährt der interessierte Anbieter alles Wissenswerte zu diesem Thema, und zwar klar strukturiert und auf Deutsch. Die Preisgestaltung für geschaltete Anzeigen findet man übersichtlich in einer Tabelle dargestellt. Hierbei gilt es zu beachten, dass es keine monatlichen Grundgebühren zu entrichten gibt und auch kein Mindestumsatz vorgegeben ist. Das Preismodell basiert auf einer “klickbasierten Abrechnung (Kosten per Klick)”, die im Übrigen in der gesamten Bewertungsplattform-Branche üblich ist.

Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen Bewertungsportale im Hotelgewerbe. Das mag wohl nicht zuletzt daran liegen, dass es für den Kunden doch einen beträchtlichen Unterschied macht, ob er lediglich 10 € für einen schlechten Roman vergeudet hat, oder ob er eine Woche Urlaub in einem unzumutbaren Hotel verbringen muss. Angeblich lesen und schreiben z. B. etwa 83 % der Gäste im Berchtesgadener Land Hotelbewertungen. Es kommt also nicht von ungefähr, dass Hotelbewertungsportale immer beliebter werden. Darunter befinden sich neben den beiden herausragenden Plattformen HolidayCheck und TripAdvisor auch Hotel.deBooking.com und Trust You.

Jameda, laut Eigenbezeichnung Deutschlands größte Arztempfehlung, konnte bereits ein paar Auszeichnungen ergattern: “Jameda hat uns bei Nutzerfreundlichkeit, Manipulationsschutz sowie der Aktualität und Vollständigkeit der Daten rundum überzeugt.”, kommentierte Michael Boms, der Lead Auditor von TÜV Saarland die Wahl von 2012. Auch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) zeigte sich zufrieden und bestätigte Jameda die “Beste Qualitätsbewertung”, jedenfalls im Jahre 2010. Im Folgejahr kürte Gestetet.de dieses Ärztebewertungsportal zum Sieger. Auf den ersten Blick wirkt die gesamte Website seriös, nicht zuletzt vom Design her ist sie gerade der zu bewertenden Berufsgruppe entsprechend gestaltet. Für Ärzte, die sich hier eintragen lassen möchten, gibt es einen eigenen, durch Statistikgrafiken übersichtlich aufbereiteten Bereich, der zur Auswahl diverser Premium-Pakete einlädt.

Weitere Anbieter seien zum Schluss nur noch kurz aufgezählt:
Trustpilot zur Bewertung von Unternehmen, Kununu für Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe, Web of trust (WOT) zur Prüfung der Vertrauenswürdigkeit von Webseiten (Deutscher Download bei Chip.de), Webutation - Projekt zur Reputation von Websites in Zusammenarbeit mit WOT.

Trotz Risiken: Bewähren Sie sich auf kluge und faire Weise im Bewertungsdschungel 
Auch wenn es also – wie eingangs dargelegt – durchaus Risiken und Nebenwirkungen zu beachten gibt, Bewertungsplattformen sollten trotzdem von jedem Unternehmer aktiv und gezielt eingesetzt werden, sofern er in der digital überschäumenden Markenflut mithalten will. Alle großen und zunehmend auch kleine Anbieter sind bereits dabei. Und der potenzielle Kunde verlässt sich zusehends darauf, dass er sich über alle verfügbaren Angebote im Web 2.0 informieren lassen kann. Wählt man mit Bedacht ein passendes Portal für sich, stehen die Chance gar nicht so schlecht, ganz oben auf der Trefferliste anzukommen. Ob die Bewertungen überwiegend positiv oder negativ ausfallen, sollte allerdings von Zeit zu Zeit selbstständig überprüft werden, damit man im Notfall schnell eingreifen und in verdächtigen Fällen sofort den Betreiber kontaktieren kann.

Quellen:

Weiterführende Texte zum Thema “Bewertungsplattformen & Recht”:

Weitere Quellen:

Über Alexander Henn

2 Kommentare

  1. Endlich mal ein Artikel, der die Problematik mit Bewertungsplattformen auf den Punkt bringt. Die Chancen bei guten Platzierungen sind groß, die Risiken für uns Dienstleister jedoch ebenfalls. Es würde mich freuen, wenn wir Dienstleister auf Seiten wie Yelp & Co. wieder mehr Gehör finden würden.

  2. Bewertungsplattformen sind überflüssig wer ein gutes Produkt hat, braucht weder Werbung noch irgendwelche Bewertungsdienste. Viele Bewertungen sind eh Manipuliert oder werden durch Agenturen erstellt.

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